Warum reagieren heute viele gereizt auf den Katholizismus?

■ Offiziell wird uns von Politik und Medien gesagt, wir lebten ja in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung und hätten daher das Recht, selbst frei eine Religion zu wählen und dann auch nach ihr zu leben. Uns, den Bürgern, stünde diese Freiheit zu.
Beim Blick auf die konkrete Realität, in der wir uns diesbezüglich befinden, kann man leicht einen anderen Eindruck gewinnen. Wenn in den offiziellen Leitmedien z.B. etwas über den Buddhismus oder auch den Protestantismus berichtet wird, ist der Grundton der Berichterstattung in aller Regel positiv. Ebenso bemüht man sich tunlichst, keinen Schatten auf den Islam fallen zu lassen. Es seien immer nur Moslems, die den Islam falsch verstünden, die Bomben legen und Terrorismus praktizieren. Aber an sich sei der Islam nur gut und friedlich.
Das Bild ändert sich aber meistens, wenn man in unseren liberalen Medien anfängt, über die katholische Kirche im Sinne des historischen Katholizismus zu berichten. Da taucht dann meistens ein negativer Ton auf. Man fängt an, immer wieder Bemerkungen einzustreuen, der Katholizismus sei menschenfeindlich, weil vielen Menschen gegenüber intolerant und diskriminierend. Das ist doch das übliche Narrativ dabei.
Sehr populär in unserer Gesellschaft ist der Vorwurf, der Katholizismus würde die Frauen als solche verachten und ihrer Rechte berauben. Konkret wird dann an dieser Stelle gern das katholische Verbot der Abtreibung angebracht. Die Frauen würden ja diskriminiert werden, weil man ihnen ihr angebliches „Recht auf den Leib“ abspreche und somit die kirchliche Gutheißung ihrer Entscheidung verweigere, das Kind „loszuwerden“. Umso schlimmer von der Kirche, dass man dies dann auch noch ausdrücklich als Sünde, ja Todsünde bezeichne!
Ebenso übt man da gern Kritik an der katholischen Bewertung der Scheidung (einer jeweils rechtmäßig eingegangenen und von der Kirche als gültig anerkannten Ehe) als unmoralisch und somit schwer sündhaft. Dieses Verbot der Ehescheidung provoziert ebenfalls viele zur Kritik am Katholizismus, er würde den Menschen ein allgemeines Menschenrecht absprechen und daher inhuman sein, weil die Kirche dadurch den betreffenden Menschen auch noch ein schlechtes Gewissen einredete, obwohl ja die Liebe zu Ende ginge und immer wieder eine neue entstünde.
Außerdem machen viele der katholischen Kirche zum Vorwurf, sie benenne auch vor- und außereheliche sowie neben der Ehe bestehende geschlechtliche Verhältnisse als Sünde und gönne somit den Leuten auch auf diesem Gebiet kein richtiges Ausleben nach ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen. Das alles seien mittelalterlich-rückständige und v.a. lebensverneinende Meinungen und ethische Bewertungen. Insgesamt sei der Katholizismus als solcher ziemlich intolerant und menschenverachtend, weil er den Menschen nicht einfach leben lasse, wie er mag, sondern mit seinen moralischen Vorstellungen schlechte Laune schaffe.
Bei der großen Demonstration am 29.08.2020 in Berlin gegen die eindeutig überzogenen staatlichen Corona-Maßnahmen fühlten sich die Verantwortlichen veranlasst, ihre Veranstaltung mit einer 15-Minütigen „Friedensmeditation“ zu beginnen. Es ging auch ein buddhistischer Mönch in typischer orangener Gewandung auf die Bühne und las bestimmte Texte vor. Den offiziellen Medien war dies keiner Erwähnung wert.
Man stelle sich aber vor, es wäre gerade ein katholischer Priester auf die Bühne gegangen und hätte z.B. das Vaterunser gebetet, in welchem nur um gute Gaben gebeten wird. Was wäre die Reaktion darauf in unseren Medien gewesen? O, die reaktionären Katholiken hätten entscheidenden Einfluss auf diese ganze Bewegung und alles sei von ihnen unterwandert! O, wie die katholische Kirche schon immer durch Intoleranz und Menschenverachtung aufgefallen sei, so würden auch diese ganzen Demonstranten in Richtung einer menschenfeindlichen Gesinnung tendieren!
Warum aber eine solche geradezu gehässige Einstellung dem Katholizismus als Ganzem gegenüber? Was sind da die tieferen und vielleicht eigentlichen Gründe, die über das hinaus gehen, was offiziell angegeben wird? Denn unsere menschliche Psychologie ist so beschaffen, dass wir nicht gern die eigene innere Unruhe thematisieren wollen, sondern nach außen oft genug nur oberflächlich-formalistische Erklärungen vorschieben, auch um nicht unbedingt bloßgestellt zu werden. Es mangelt ja an Grundehrlichkeit.
■ Wenn man sich die Ereignisse anschaut, die zur Enthauptung des Johannes des Täufers geführt haben (vgl. Mk 6,17-29), kann man in ihnen sehr wohl einige Antworten darauf finden. Johannes saß im Gefängnis, weil er dem König Herodes freimütig gesagt hatte, es sei diesem nicht erlaubt, die Frau seines Bruders Philippus zur Frau zu nehmen. Und zwar geschah diese Festnahme ausdrücklich auf Betreiben der betreffenden Herodias: „Das trug ihm Herodias nach. Sie hätte ihn gern töten lassen, konnte es aber nicht; denn Herodes hatte Scheu vor Johannes. Er kannte ihn als einen gerechten und heiligen Mann und nahm ihn in Schutz.“
Dann veranstaltete Herodes ein großes Fest aus Anlass seines Geburtstags und lud dazu viele „Fürsten“, Hauptleute“ und „Vornehmen Galiläas“ ein. Auf dem Fest tanzte auch die junge Tochter „eben jener Herodias … und fand das Gefallen des Herodes und seiner Gäste“. Im Überschwang der Gefühle ließ sich Herodes hinreißen und versprach dem Mädchen sogar bis zur Hälfte des Königreiches für diesen Tanz. Sie befragt die Mutter, um was sie denn bitten soll. „Die aber sagte: ‚Das Haupt Johannes des Täufers.‘“ Zwar „wurde der König bestürzt“, aber wegen seines feierlichen Versprechens ließ er doch Johannes im Kerker enthaupten und dem Mädchen vor allen das betreffende „Haupt auf einer Schüssel“ präsentieren.
Was wir daraus an Erkenntnissen gewinnen können, ist, dass es sehr wohl Menschen gibt, die geradezu rasend vor innerer Wut und Empörung sind, weil es jemand überhaupt gewagt hat, ihnen gegenüber Kritik zu üben bzw. ihr Handeln als falsch, schlecht und sündhaft zu halten und dann bei Bedarf auch noch so öffentlich zu bezeichnen. Diese Menschen ertragen es einfach nicht, wenn jemand den Mut hat, ihr Verhalten freimütig und laut als dem Willen und Gesetz Gottes widersprechend einzustufen. Sicher spielt da bei dieser Schicht der Menschen viel an Stolz und persönlicher Selbstüberschätzung mit.
Ist das nicht auch eine Erklärung dafür, warum heute so viele Menschen den historischen Katholizismus so gern kritisieren? In der leider immer größer werdenden liberal gesinnten Schicht der Bevölkerung und v.a. in den Medien ist ein solches „Herumhacken“ auf der katholischer Kirche und ihren Lehren geradezu zu einer billigen Mode geworden – wenn Du zu ihnen gehören möchtest, müsstest Du geradezu klischee- und bekenntnismäßig Deine Abneigung dem Katholizismus als solchem gegenüber erklären.
■ Was man uns, den Katholiken, ja so gern zum Vorwurf macht, dient eigentlich eher dazu, dass wir dies sogar als Lob und Anerkennung ansehen! Denn wir vertreten ja bei aller entsprechenden Kritik klar und unmissverständlich positive sittliche Werte, die an sich nur lebensbejahend und von Liebe erfüllt sind!
Ihr, die Katholiken, heißt es ja oft vorwurfsvoll, seid gegen die Abtreibung. Ja, aber eigentlich nur, weil wir ohne falsche Kompromisse für den Wert des Lebens eintreten, auch eines menschlichen Lebens im Mutterleib! Denn jedes Leben ist wertvoll und von Gott gegeben, und niemand von uns hat das Recht, diesbezüglich Gott zu spielen. Denn wenn das menschliche Leben nicht von Beginn an lebens- und liebenswert sein sollte, würde man ja Tür und Tor für eine jegliche diesbezügliche menschliche Willkür öffnen! Man denke nur daran, was diesbezüglich im „Dritten Reich“ erschreckenderweise getrieben wurde!
Und worin unterscheidet man sich denn bitte von diesen üblen Nazis und Menschenhassern, wenn man gewissermaßen per Gesetz ebenfalls eine ganze Kategorie von Menschen von vornherein für lebensunwert hält und behandelt – z.B. die behinderten Babies im Mutterleib, die mit Down-Syndrom und die, die für ihre Eltern sozial und finanziell belastend seien?
Ihr, die Katholiken, heißt es ebenfalls oft, seid wegen eurer ganzen Lehre bezüglich der Ehe- und Sexualmoral echte „Lebensverderber“. Ja, die katholische Kirche verbietet auch da vieles, aber wiederum nur, weil sie den Wert der Liebe zwischen Mann und Frau und in der Familie vertritt! Denn echte lebensbereichernde und das Herz des Menschen zutiefst erfüllende Liebe ist nur dort möglich, wo gegenseitiges Vertrauen aus dem Wissen um die gegenseitige Hingabe und unerschütterliche Treue erwächst! Die rastlose Jagd nach immer neuen Partnern und sexuellen Erfahrungen vieler unserer Zeitgenossen ist auf ihre Weise auch ein Zeugnis für die innere Leere bzw. das entsprechende „Ausgebrannt-Sein“.
Wir können also froh und sogar dankbar sein, wenn man uns gerade deswegen angreift, weil wir klare Prinzipien vertreten und uns trotz der ganzen Vorwürfe seitens der liberalen und modernistischen Kreise nicht irre machen lassen! Für einen Jünger Jesu müsste es sogar eine Auszeichnung sein, dass er wegen seiner Treue zur Lehre Christi und der von Ihm gestifteten Kirche kritisiert und schlechtgeredet wird!
Wirft man im analogen Zusammenhang einen Blick auf den Protestantismus, sieht man schnell, wie sehr da in der Lehre vieles der begrifflichen Unbestimmtheit und menschlichen Beliebigkeit überlassen ist. Es gibt da meistens keine klaren Grundsätze, alles ist relativ, jede glaubensrelevante und moralische Abirrung findet bei Bedarf ihre „Rechtfertigung“ und „Gutheißung“. Kein Wunder, dass ein solcher „Glaube“ keinen Anstoß erregt bei Menschen, die sich selbst die oberste moralische Instanz sein wollen, da er diese doch nur weiter bestätigt in ihrer Glaubenslosigkeit und sittlichen Indifferenz.
Und v.a. vergessen wir nicht, dass da nicht selten auch die Mentalität jener Herodias eine Rolle spielt. Man stört sich am Katholizismus, weil man ihn ständig als einen Vorwurf an das eigene Gewissen empfindet, weil er einen nämlich daran erinnert, dass man eine Sünde als Unrecht vor Gott getan hat. Nehmen ja auch von diesen Menschen die allermeisten immer noch die Stimme des eigenen Gewissens wahr, wenn auch nur ganz leise, und spüren daher auch selbst noch im Inneren, dass manches, was sie tun, moralisch nicht statthaft ist.
Aber gerade stolze Menschen, die besonders stark nur die eigene Meinung gelten lassen wollen, und daher nicht besonders gewillt sind, weiter nachzudenken und dann auch noch ihr Leben entsprechend zu ändern, ertragen es besonders schwer, wenn ein anderer Mensch oder irgendeine Instanz sie ermahnt – wenn auch nur indirekt – und an die eigenen nennenswerten sittlichen Verfehlungen erinnert. Denn für eine bestimmte Gruppe von Menschen ist in diesem Zusammenhang allein schon die Existenz und das Dasein des historischen Katholizismus ein Grund genug, ihn als Ärgernis zu empfinden und gereizt auf ihn zu reagieren. Dabei müssen diese Prozesse im Menschen nicht immer vollbewusst ablaufen. Oft reicht eine anfänglich bejahend aufgenommene Hetze gegen die Kirche und ihre Lehren – bei gleichzeitigem Abschalten des eigenen kritischen Denkvermögens.
■ Schauen wir uns dabei doch bitte auch den entscheidenden objektiven Umstand an, welcher gerade für nicht wenige unter den mächtigen und einflussreichen Zeitgenossen Jesu als der tiefere geistige Grund diente, sich entschieden gegen Ihn zu stellen. Ganz explizit im Heidentum herrschte damals ja allgemein die Vorstellung vor, man könnte der Gottheit, was auch immer man darunter verstanden haben sollte, im Prinzip immer habhaft sein. Sie war entweder an einen Berg gebunden oder an die Sonne oder an das Feuer oder an ein sonstiges räumlich-physikalisches Element. Und man musste nur bestimmte vorgeschriebene Handlungen der äußeren zeremoniellen Verehrung vollziehen (meistens Opfer), damit man sich wähnen konnte, der Gunst dieser Gottheiten sicher zu sein. Das alles beruhte auf Äußerlichkeiten, sie waren entscheidend. Von der mit diesen äußeren Handlungen eventuell zu verbindenden inneren Intention redete niemand, sie war für die Heiden praktisch völlig irrelevant.
Im alttestamentarischen Israel ragte natürlich der Tempel zu Jerusalem als ein einmaliger und außergewöhnlicher Ort der Gegenwart Gottes heraus. Dennoch hat allein schon der Umstand der babylonischen Gefangenschaft die Israeliten, die in der Fremde sehr wohl eine große Sehnsucht nach Jerusalem und dem Tempel entwickelten, dennoch dazu veranlasst, ihre Seele auch an anderen Orten zu Ihm zu erheben.
Dennoch fällt auf, wie streng Jesus mit dem vorhandenen Formalismus und der auf äußeren Eindruck setzenden Scheinheiligkeit der Juden ins Gericht geht. Erstens betont Er ja mit allem Nachdruck den Grundsatz, dass erst unser konkretes richtiges Handeln Auskunft darüber gibt, wessen Geistes Kind wir sind: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr!, wird in das Himmelreich eingehen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist“ (Mt 7,21). Nicht das fromme Reden allein ist hier entscheidend, sondern ein entsprechendes Handeln nach dem Gebot Christi, welches die Folge einer richtigen inneren Einstellung ist! Also soll nach Jesus als erstes eine richtige Gesinnung des Herzens erlangt werden!
Ferner betont Jesus bei der Ausführung über die Sünde gegen den Heiligen Geist die zentrale Bedeutung dieser inneren Haltung eines Menschen: „Ihr Schlangenbrut, wie könnt ihr Gutes reden, da ihr doch böse seid? Denn wovon das Herz voll ist, davon redet der Mund. Der gute Mensch bringt aus der guten Schatzkammer Gutes hervor, der böse Mensch bringt aus der bösen Schatzkammer Böses hervor.“ (Mt 12,34f.)
Gewissermaßen summarisch geißelt Jesus dann die alttestamentarische Überbetonung der äußeren zeremoniellen Handlungen mit dem emotionalen Ruf: „Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr gebt den Zehnten von Minze, Anis und Kümmel, lasst aber das Wichtigste des Gesetzes außer Acht: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue.“ (Mt 23,23.) Somit besitzt eine scheinbar gute Tat in den Augen Gottes nichts, wenn ihr nicht auch die Gesinnung des Herzens entspricht.
■ Welchen Schock muss es dann aber zuerst für die führende Schicht der damaligen Juden als auch für alle, die auch im Heidentum mit Macht und Einfluss ausgestattet waren, bedeutet haben, als Jesus dieses gesamte Konzept der einseitigen Einschließung des Göttlichen und Übermenschlichen in äußere menschliche Zeremonien und Opfer und somit gewissermaßen deren Beherrschung und Kontrolle durch Menschen sogar komplett abgelehnt hatte! Stattdessen betonte Er ja unmissverständlich die Priorität der inneren Haltung.
Denn in ihrem Gespräch mit Jesus stellte ja eine Samariterin zuerst fest: „‘Unsere Väter haben auf dem Berg dort Gott angebetet, doch ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man Ihn anbeten müsse.‘ Jesus sagte ihr: ‚Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, da ihr weder auf dem Berg dort noch in Jerusalem allein den Vater anbeten werdet. … Aber es kommt die Stunde, und jetzt ist sie da, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten in Geist und Wahrheit; denn solche Anbeter will der Vater haben. Gott ist Geist, und die Ihn anbeten, müssen anbeten in Geist und Wahrheit.‘“ (Joh 4,20-24.)
Aus der fundamentalen Feststellung, dass Gott „Geist“ ist, leitet Jesus die Schlussfolgerung ab, dass Seine Verehrung an sich weder strikt noch schwerpunktmäßig auf einzelne lokale Orte begrenzt werden kann. Vielmehr stellt Jesus das zentrale Postulat auf, dass Gott „in Geist und Wahrheit“ angebetet werden müsse! Mit Seinem Kommen und Heilswirken habe dies auch schon so begonnen.
Die Anbetung „in Geist“ bedeutet hier, dass grundsätzlich jeder Mensch grundsätzlich an jedem Ort und grundsätzlich zu jeder Zeit seine Seele zu Gott erheben und Ihn anbeten kann! Zwar spielen natürlich auch im wahren Christentum, der katholischen Kirche, bestimmte sakrale Handlungen und Zeremonien eine ganz besondere Rolle, die ja alle ausdrücklich auf eine entsprechende Anordnung Jesu hin eingesetzt und Seinen Jüngern zum Befolgen angeordnet worden sind – allem voran die Sieben heiligen Sakramente und das hl. Messopfer! Diese alle besitzen auch eine ganz besondere Wirkung auf die Seele des gläubigen Empfängers und vermitteln eine ganz spezielle göttliche Gnade.
Dennoch kann dies für den Menschen nur dann heilsam geschehen, wenn der betreffende Jünger Jesu in gläubiger Andacht vor Gott verweilt! Automatisch und nach der Art einer rein äußeren Tat oder heidnischen Beschwörungsformel kann dem Menschen daraus kein geistiger Nutzen entstehen.
Die Anbetung „in Wahrheit“ unterstreicht noch stärker die Absolutheit Gottes und Seine Autonomität von menschlichen Manipulationsversuchen! Jede gedachte, formulierte und praktizierte Wahrheit hier auf Erden reflektiert die absolute und somit vom Menschen unabhängige ewige Wahrheit Gottes.
Gott ist die sicherste Realität, die überhaupt existiert! Alles in der Welt ist vergänglich, nur Gott war, ist und bleibt unveränderlich. Mit Seiner Liebe und Heiligkeit in Christus wendet Er sich an uns, Menschen. Erahnt ein Mensch in seinem Geist und Herzen dieses ewige geistige Licht Gottes und sehnt sich aufrichtig danach, findet er irgendwann auch zu dieser Quelle des wahren Lebens.
Bezeichnenderweise bejahte Jesus vor Pilatus, dass Er in bestimmter Hinsicht sehr wohl ein König ist: „Ja, Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass Ich für die Wahrheit Zeugnis gebe. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ (Joh 18,37.) Bezeichnenderweise fragte dann Pilatus auch ungläubig: „Was ist Wahrheit?“, womit er anzeigte, dass ihm solche Fragen völlig fremd seien. Die Aussage Jesu besteht aber darin, dass jeder, der aufrichtig Gott und die ewige Wahrheit sucht, auch zu Ihm, Jesus Christus, findet! Oder anders formuliert kann man nur dann zu Jesus finden, wenn man auch aufrichtig die Wahrheit und somit Gott sucht!
■ Wer aber Gott so gefunden hat und sich dann in der Folge umso mehr nach Ihm sehnt, weil Er ja nicht wie eine sonstige Ware in Besitz gehalten werden kann, stellt aus der Sicht der in dieser Welt Macht besitzenden und Einfluss ausübenden eine große „Gefahr“ dar. Denn diese Menschen werden ja in ihrer Religionspraxis unabhängig von denen, die bestimmen wollen, wie man der Gottheiten sozusagen habhaft werden könne, um dann auch die betreffenden Religionsanhänger besser unter Kontrolle halten und manipulieren zu können.
Vermutlich haben die breiten Massen damals diese subtilen Zusammenhänge weder gesehen noch verstanden. Aber die führende Schichte der Elite, die eben mit solchen Fragen der Interpretation des Willens Gottes für das Volk beschäftigten waren, müssen sehr wohl begriffen haben – wenigstens instinktmäßig –, dass durch diesen neuen Ansatz Jesu der Anbetung Gottes „in Geist und Wahrheit“ ihnen die Kontrolle über eben dieses Volk entgleitet. Denn nach Jesus können die Menschen bei entsprechender sittlicher Bemühung sehr gut auf die Vermittlung der Schriftgelehrten und Pharisäer verzichten, um dann schlussendlich in Jesus Christus den wahren Gott zu finden! Jesus schafft damit nicht die religiöse Autorität als solche ab, sondern betont gleichzeitig die unmittelbare Verantwortung des Menschen Gott selbst gegenüber.
Und wen soll es bitte wundern, wenn die betreffende Elite sich dann höchst verärgert über den ihnen von Jesus zugefügten Machtverlust zeigt und ziemlich gereizt auf den Namen Christi und dann in der Folge auch auf Seine Jünger und die von Jesus gestiftete katholische Kirche reagiert, die ja den heiligen Auftrag erhalten hat, die Wahrheit Gottes in Jesus Christus getreu zu bekennen und zu bezeugen? Gerade das Zeugnis der Märtyrer hat ihre Verfolger zur Weißglut gereizt, die in ihrer irdisch gesinnten Logik nicht verstehen konnten, dass jemand seine Liebe und Treue zu Jesus als höher erachtet als weltlichen Besitz und sogar das irdische Dasein. Zumal diese treuen Zeugen Christi dabei nicht nur nicht verzweifelten und die ganze Welt verdammten, sondern sogar inneren Frieden und lebendige Überzeugung ausstrahlten.
Dieses Phänomen konnte ein hartgesottener Heide, der sich nämlich keinen Ruck zum Nachdenken geben wollte, nicht verstehen. Beschreibt ja der hl. Apostel Paulus (1 Kor 1,18-25) sehr zutreffend, wie die „Predigt vom Kreuz“ auf die damaligen Zeitgenossen wirkte. In der Primitivität seines Denkens gab es für einen solchen Heiden oder sonstigen Machtgierigen nur eine Reaktion darauf: äußere Verfolgung der Christen zum Zweck der Auslöschung des (wahren) Christentums!
Neben der lebendigen kirchlichen Tradition als der geheiligten und getreuen Glaubensüberlieferung über alle Jahrhunderte hindurch gibt es in Bezug auf das Christentum leider auch eine negative Tradition – die bewusste Pflege und absichtliche Weitergabe der Ablehnung Christi und des Hasses auf Seine Jünger! Dabei sammelt sich von Generation zu Generation auch in dieser Hinsicht so manches an. Der brutalen Gewalt der Primitiven gesellte sich später auch Spaltung und Häresie bzw. systematisch durchgeführte subversive Unterwanderung kirchlicher Strukturen bei.
Als Jesus Seine Apostel zur Erfüllung ihres hehren Missionsauftrags aussandte, versprach Er ihnen keinen begeisterten Empfang durch die Menschen. Im Gegenteil, Er bereitete sie auf Widerspruch seitens der Menschen und Verfolgung vor: „Der Jünger steht nicht über dem Meister und der Knecht nicht über seinem Herrn. Der Jünger muss zufrieden sein, wenn es ihm geht wie seinem Meister, und der Knecht, wenn es ihm geht wie seinem Herrn. Hat man den Hausherrn Beelzebub geschmäht, um wieviel mehr seine Hausgenossen.“ (Mt 10,24f.)
Dabei können alle Geld- und Machtgierigen und die, die ihr Herz vor der höheren Wahrheit verschließen, auch heute immer noch nicht verstehen und begreifen, welchen großen und tiefen Trost Jesus Seinen Jüngern in diesem Zusammenhang spendet: „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und euch lügnerisch alles Böse nachreden! Freuet euch und frohlockt: denn groß ist euer Lohn im Himmel. Ebenso haben sie ja die Propheten, die vor euch waren, verfolgt.“ (Mt 5,11f.)
Wenn wir diese Worte verstehen und ebenfalls zur Richtschnur unseres Denkens, Sprechens und Handelns machen können, werden wir ebenso eine große innere Freude am treuen Festhalten an der Wahrheit Gottes und an der Liebe Christi erfahren – trotz aller widrigen äußeren Umstände!

P. Eugen Rissling

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